Ahaus

„Stolz, Entwicklungen zu ermöglichen“„Recycling Inklusiv“ qualifiziert Menschen mit Beeinträchtigung für allgemeinen Arbeitsmarkt

Ahaus/Gronau (JP). „Beim nächsten Projekt bin ich sofort wieder dabei“, sagt Marcel Herzog zufrieden. In den vergangenen zwei Jahren war er gemeinsam mit sieben weiteren Teilnehmenden im Projekt „Recycling Inklusiv“ dabei. Ziel war es, Menschen mit Beeinträchtigung, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) tätig sind, weiter zu qualifizieren, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten und idealerweise auch sozialversicherungspflichtig zu vermitteln. Nun fand ein Abschlusstreffen aller Beteiligten beim Entsorgungsbetrieb Stenau in Ahaus statt.

Wie wird Abfall korrekt getrennt? Worauf muss bei Elektroschrott geachtet werden? Und wie können unterschiedliche Materialien fachgerecht recycelt werden? Das beispielsweise haben die Teilnehmenden in den vergangenen zwei Jahren gelernt. „Es fanden betriebsinterne Schulungen, Betriebsbesichtigungen, Erste-Hilfe-Kurse, Hubwagen- und Ameisen-Schulungen, Brandschutzunterweisungen, Praktika und Arbeitsgruppen statt“, berichtet Klaus Hogelucht-Schücker, Fachkraft für Übergangsförderung bei der Diakonischen Stiftung Wittekindshof. Er hat das Projekt „Recycling Inklusiv“ auf die Beine gestellt.

Finanziert wurde es aus Mitteln des LWL-Budgets für Arbeit. Ebenfalls eng eingebunden war Susanne Schulze Ameling vom Integrationsfachdienst Borken/Coesfeld. „Aber ohne die Zusammenarbeit mit heimischen Firmen wären solche Qualifizierungsprojekte nicht möglich. Wir bedanken uns daher bei der Firma Stenau, die das erste Mal dabei war und viele Schulungen gemacht hat, bei Altex, dem Bauhof Heek-Nienborg, Engbers Männermode und Janus Logistics, Celltherm und der Bäckerei Voss, die mit dem gemeinsam betriebenen Vortagsladen teilgenommen hat“, betont Klaus Hogelucht-Schücker.

Praxisnah

Stets im Vordergrund steht die praxisnahe Vermittlung von neuem Wissen. „Für Stenau war das Projekt Neuland, aber es war interessant, herauszufinden, wo wir Schnittstellen in der operativen Zusammenarbeit finden können“, sagt Dr. Hubertus Reloe, Mitglied der Stenau-Geschäftsführung. Die Zusammenarbeit sei sehr positiv und das Engagement überraschend gewesen: „Wir mussten uns auf die Schulungstage vorbereiten und auch die Teilnehmenden haben das getan. Es wurden immer wieder konkrete Fragen gestellt, über die sie sich Gedanken gemacht haben. Etwa, wie Reifen recycelt werden“, berichtet Stefan Grothus, der mit seinem Kollegen Dennis Terdenge die Schulungen seitens Stenau durchgeführt hat.

Doch nicht nur Gutes bleibt in Erinnerung. Eine „Horror-Erinnerung“ verbindet alle Beteiligten: Beim fachgerechten Recyceln von Sprachmodulen aus überlagerten Puppen wurde im Projekt die Entsorgung von Elektroschrott thematisiert und praktisch umgesetzt. „Wir mussten die Batterien aus den weißen Modulen holen. Die gingen aber immer an und haben schrecklich gelacht. Horror!“, erinnert sich Pierre Fischer und als Stefan Grothus eine Puppe rausholt, die er aufgehoben hat, schlagen alle Anwesenden die Hände über dem Kopf zusammen, fangen an zu lachen. „Geh mir bloß weg mit dem Ding“, sagt Pierre Fischer. „Da habe ich Albträume von“, flackst er.

„Wir haben so positiv profitiert“

Trotzdem ziehen alle am Ende ein positives Fazit: „Wir haben viele neue Erfahrungen gesammelt, neue Kontakte geknüpft, die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern intensiviert und Qualifizierungsbausteine zum Recycling-Werker durch die IHK anerkennen lassen“, resümiert Klaus Hogelucht-Schücker. Auch wenn keine direkte Vermittlung eines Jobs stattgefunden habe, stünde für zwei Teilnehmer eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Aussicht. Frank Brandt, Geschäftsführer bei Janus Logistic, bricht für die Beschäftigung vom Menschen mit Beeinträchtigung eine Lanze. Bei Janus arbeiten mittlerweile vier Menschen, die vom Wittekindshof vermittelt wurden: „Wir haben so positiv profitiert. Die Integration in unseren Betrieb ist super gelaufen. Ein Kollege beispielsweise ist aufgeblüht, hat sich toll entwickelt, mittlerweile sogar seinen Auto-Führerschein gemacht und seine Fähigkeiten enorm gesteigert. Er übernimmt mittlerweile ganz andere Aufgaben im Betrieb. Es macht mich stolz, solche Entwicklungen zu ermöglichen.“

„Wir müssen trotzdem weiterhin an der Durchlässigkeit des Arbeitsmarktes arbeiten. Unabhängig von Projekten wie diesem bleibt die Vermittlung von Menschen mit Beeinträchtigung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt eine Herausforderung. Darum werden wir sicherlich weitere Projekte mit neuen Schwerpunkten aufbauen“, kündigt Thomas Gerwing an, zuständiger Geschäftsbereichsleiter für Bildung und Arbeit beim Wittekindshof. „Wir sind für Ihre Vorschläge offen. Kommen Sie gerne auf uns zu und wir unterstützen wieder“, antwortet Eliana Broosch vom LWL-Inklusionsamt Arbeit prompt. Ob Marcel Herzog dann wirklich noch dabei ist, bleibt abzuwarten. Vielleicht hat er bis dahin seine Chance erhalten und einen Job auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Das LWL-Budget für Arbeit

Das LWL-Budget für Arbeit unterstützt den Übergang von Beschäftigten aus dem Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Das Budget kommt auch Personen zugute, die die Aufnahmevoraussetzungen für eine WfbM erfüllen, sich jedoch für eine Alternative auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entscheiden. Das LWL-Budget für Arbeit bietet auch ein Inklusionsbudget für Qualifizierungsmaßnahmen: Zur Vorbereitung und Unterstützung einer betrieblichen Ausbildung oder eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses kann ein individuelles Budget erbracht werden. Mit diesem Inklusionsbudget können geeignete berufsbezogene Qualifizierungsmaßnahmen wie zum Beispiel das Projekt „Recycling Inklusiv“ gefördert werden.