Wohnen & Assistenz

Wenn die Schöpfung leuchtet – mit Video 📹Menschen mit Beeinträchtigung feiern Schwarzlichtgottesdienst

Langsam wird es dunkel im Sternensaal des Wittekindshofer Wohnhauses Bethanien. Die Gespräche verstummen, als der erste Ton der Musik den Raum erfüllt. Dann geht ein Raunen durch die Reihen: Im Schein des Schwarzlichts beginnen erst Sonne und Mond, dann einzelne Tiere zu leuchten. Ein roter Papagei schwebt fast schwerelos an der Decke, in einem Aquarium tänzeln Fische auf und ab, die Blüten eines Baums strahlen auf. Was klingt wie eine Szene aus einem Theaterstück oder einer Partynacht, ist ein besonderer Gottesdienst.

Gefeiert wird er von Menschen mit Beeinträchtigung, die die Tagesstrukturierenden Angebote (TSA) des Wittekindshofs auf dem Gründungsgelände in Volmerdingsen besuchen. Für den Schwarzlichtgottesdienst ist der sonst helle Sternensaal komplett verwandelt worden: Fensterscheiben sind sorgfältig abgedunkelt, dunkle Tücher hängen im Altarbereich, der von Schwarzlichtflutern flankiert wird. „Wir schaffen einen geschützten Raum, in dem die Teilnehmenden mit allen Sinnen eintauchen können“, erklärt Angela Schürmeier vom TSA-Team. Sie hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen den Gottesdienst vorbereitet und hält an diesem Tag die Predigt in Leichter Sprache. 

Wir holen die Menschen da ab, wo sie sind.

Angela Schürmeier

Dabei geht um die Schöpfungsgeschichte: Die Erschaffung von Sonne und Mond, von Tieren an Land wie im Wasser und von Menschen. Gebastelte Tiere aus Pappkarton kommen dabei zum Einsatz und veranschaulichen die Passagen aus der Bibel. „Wir halten keine hochtheologischen Predigten mit zig Fremdwörtern. Sondern wir holen die Menschen da ab, wo sie sind“, sagt Angela Schürmeier. Genau dafür seien diese besonderen Gottesdienste gedacht. „Wir können das Rad nicht bei jedem Gottesdienst neu erfinden. Aber wir versuchen immer wieder Highlights zu setzen.“ 

Das Schwarzlicht sei dabei kein bloßer Selbstzweck. In der TSA Bethanien finden überwiegend Klientinnen und Klienten ihren zweiten Lebensbereich neben dem Wohnen, die umfassend auf Unterstützung und Pflege angewiesen sind. Die Ansprache erfolgt oft durch basale Stimulation, durch Düfte, Klänge, Bilder – und eben auch durch Licht. „Die intensiven Farben in der Dunkelheit sprechen viele besonders an“, sagt Wibke Hauptmeier, Ideengeberin des Projekts. Ihr Ziel sei es gewesen, die regelmäßigen Andachten, die in der TSA stattfinden, dadurch neu erlebbar zu machen. Die Gottesdienste in der Dunkelheit besäßen eine fast magische Atmosphäre. „Ein Mann, der sonst bei unseren Angeboten schnell einschläft, war plötzlich ganz wach. Er hat alles genau verfolgt: die Bilder, die Farben, die Bewegungen“, hat sie beobachtet. 

Ermöglicht durch Spenden

Ermöglicht wurden die Schwarzlichtgottesdienste durch eine Förderung der Andreas-Gärtner-Stiftung. Dadurch konnten die Schwarzlichtfluter angeschafft werden. Zuvor hatte sich das TSA-Team immer wieder Technik geliehen. „Jetzt können die Fluter dauerhaft und flexibel in verschiedenen Angeboten und Settings eingesetzt werden – nicht nur in den Gottesdiensten“, freut sich Wibke Hauptmeier. Dies biete noch mehr Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf die Möglichkeit, Glauben sinnlich zu erfahren und aktiv mitzuerleben.