Daniel Hillebrand lebt mit einer Tetraspastik, die die Beweglichkeit seiner Arme und anderer Extremitäten einschränkt. Er arbeitet völlig selbstbestimmt – dank eines automatisierten Arbeitsplatzes, den die Wittekindshofer Werkstätten in Bad Oeynhausen trotz engen Budgets mit einem Roboter der Kölner Firma „igus“ realisiert haben. Für dieses kreative Inklusionsprojekt erhielt die Stiftung jetzt den „ROIBOT“ Award. Der Wettbewerb zeichnet innovative und wirtschaftliche Automatisierungsprojekte aus, die mithilfe von Produkten der Firma „igus“ erfolgreich umgesetzt wurden.
Daniel Hillebrand sitzt im Rollstuhl und bewegt mit seinem Kinn einen Joystick. Damit steuert er einen Roboterarm, der Kunststoffbauteile sortiert. Mehrere Stunden pro Tag, ohne fremde Hilfe. „Daniel ist es gewohnt, in seinem Leben fast vollständig auf Hilfe angewiesen zu sein“, sagt Torsten Jeschke, Elektriker und Erzieher in den Wittekindshofer Werkstätten. Er hat den Roboter gebaut. „Dank der neuen Anlage kann er nun trotz seiner schweren Lähmung selbstbestimmt arbeiten.“ Das sei für ihn „der Himmel auf Erden“. „Der Roboter ist cool“, bestätigt Daniel Hillebrand. „Ich musste in die Technik erst reinkommen, aber mittlerweile läuft alles richtig gut. Am schönsten ist es, wenn der Sack nach langer Arbeit voll ist.“
Gelenkarm greift Bauteile
Marktübliche Industrieroboter wären für die Wittekindshofer Werkstätten unerschwinglich und in der Steuerung zu komplex gewesen. Thorsten Jeschke hat deshalb mit einem so genannten Low-Cost-Roboter, einer kostengünstigen Alternative zu traditionellen Industrierobotern und bei „igus“ in eine Baukasten-Prinzip erhältlich, eine Lösung zusammengestellt, die sich ähnlich leicht bedienen lässt wie ein Computerspiel. Herzstück und Daniel Hillebrands Armersatz ist dabei der Gelenkarmroboter, der die Bauteile von einem Laufband greift und in die Verpackung führt. Mittels Joystick bedient Daniel Hillebrand den Arm.
„igus“ hatte den „ROIBOT“-Wettbewerb zum mittlerweile dritten Mal ausgeschrieben, um Unternehmen und Organisationen auszuzeichnen, die mit den Bauelementen besonders smarte und wirtschaftliche Automationsprojekte realisieren. Die Gewinner erhalten Gutscheine für Robotik-Hardware im Wert von bis zu 5000 Euro. „Für uns ist es wirklich ergreifend zu sehen, wie es die Wittekindshofer Werkstätten geschafft haben, mit begrenzten finanziellen Ressourcen und dafür umso mehr Fantasie ein Automationsprojekt auf die Beine zu stellen, das das Leben eines Menschen so sehr verbessert. Wir hoffen, dass sie den 5000 Euro-Gutschein nutzen können, um in Zukunft noch weitere Projekte dieser Art umzusetzen“, sagt Alexander Mühlens, Leiter des Geschäftsbereichs Low-Cost-Automation bei „igus“ und Schirmherr der „ROIBOT“ Awards.
Thorsten Jeschke hat bereits erste Ideen, wie das Geld eingesetzt werden kann. Technische Unterstützung sei an vielen Stellen in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) einsetzbar. „Wir schauen gemeinsam mit der Leitung, was als nächsten umgesetzt wird“, betont der Elektriker, der gemeinsam mit Daniel Hillebrand den symbolischen Gewinner-Scheck in der Wittekindshofer Werkstatt an der Sonnenbrede entgegengenommen hat.
Weitere Gewinner
Platz zwei und 2.500 Euro für Robotik-Hardware gehen an „Paperfoam“. Die niederländische Firma hat einen Gelenkarmroboter mit einer Kamera ausgestattet, um ihre Verpackungen stichprobenweise auf Produktionsfehler zu prüfen. Die Lösung reduziert die körperliche Belastung der Mitarbeiter und erhöht gleichzeitig die Qualität der Produktion. Über Platz drei und 1.000 Euro freut sich das französische Forschungsinstitut „Centre national de la recherche scientifique“ (CNRS) für die Entwicklung einer Kalibriervorrichtung eines Teleskops für die Astroteilchenphysik. Der Sonderpreis für Bildungseinrichtungen und ebenfalls 1.000 Euro gehen an die wissenschaftliche-technische Universität Politecnico in Mailand. Sie hat mit einem Roboterarm einen mobilen Manipulator konstruiert, der die Obsternte durch Automatisierung effizienter und weniger arbeitsintensiv gestaltet.